Die Antwort auf die Meinungsfrage gleich vorweg: Katja Riemann hat den Shitstorm, der nach der entgleisten Interview-Situation (youtube) auf dem Roten Sofa über sie gefegt ist, meines Erachtens so nicht verdient.
Sie hätte allerdings – wie auch der Moderator Hinnerk Baumgarten – sehr viel anders machen und sich dennoch dabei treu bleiben können. Professionalität und ein – wie auch immer verstandenes – „authentisches“ Verhalten schließen sich nicht aus.
„It Needs Two to Tango“, hat sich Katja Riemann gerechtfertigt und die Verantwortung für das Gespräch auf den Moderatoren verlegt. Und wenn wir beim Bild vom Tango bleiben, ist ein gelungenes Interview für beide Seiten ein Tanz. Man umkreist sich, findet zueinander, findet einen gemeinsamen Rhythmus, baut Spannung auf und ab, lässt Freiraum. Einer übernimmt Führung – oder übergibt sie dann wieder dem anderen. Ein Schritt bereitet den nächsten vor. Es fließt.
- Wie würde ich Katja Riemann auf ein Interview vorbereiten?
- Was kann ein Moderator/Interviewer in solchen Situationen tun?
Zuerst zu Frau Riemann und ihre Gestaltungsmöglichkeiten beim Tango.
Ganz grundsätzlich würde ich sie in einem Interview-Coaching fragen, wie sie sich denn im Rahmen der Sendung, ihres eigenen Vertrages und ihrer Film-PR selbst beschreiben möchte. Wie sie vom Interviewer und dem Publikum erlebt werden möchte? Denn das liegt ganz allein in ihrer Hand.
Ebenfalls Verantwortung übernimmt sie für ihre Haltung:
- Wie können Sie gleichzeitig professionell und auf ihre einzigartige Weise authentisch rüberkommen?
- Wie können Sie auf „saublöde“ Fragen so reagieren, dass sie damit Freiräume schaffen, um das zu sagen, was Sie vielleicht wirklich loswerden möchten?
- Wenn Sie nicht antworten möchten – welche Angebote formulieren sie statt dessen?
- Wie können Sie beim Tango so die Führung übernehmen, dass sie dabei Spaß haben, auch wenn Ihnen der Tanzpartner manchmal auf die Füße tritt?
So entsteht eine Strategie der aktiven und lustvollen Selbstgestaltung – die im Notfall auch beinahe unabhängig von den Fragen gelebt werden kann.
Und wie kann sich der Moderator / Interviewer aus der Klemme retten? Dadurch, dass er auch durch seine Fragen Freiräume schafft, auf andere Art die Führung übernimmt. Ganz im Sinne von Heinz von Förster: „Handle stets so, dass die Anzahl der Wahlmöglichkeiten größer wird.“
Bei einem Interview, das gerade mit Vollgas vor die Wand fährt, können die Fragen den Kurs verändern. Im Fall des Roten Sofas am besten so, dass auch Katja Riemann Verantwortung für das Gelingen übernimmt.
Wie wäre gewesen, wenn Hinnerk Baumgarten so reagiert hätte:
Sagen Sie mal, Frau Riemann, wir wissen jetzt, worüber Sie nicht sprechen wollen und respektieren das natürlich.
- Auf welche Frage würden Sie denn gerne antworten?
- Auf welches Thema haben Sie richtig Lust?
- Welche Geschichte von den Dreharbeiten oder zu Ihrem Film möchten Sie gerne erzählen?
Es wäre spannend zu sehen, wie ein Neuauflage des Gesprächs auf dem Roten Sofa mit dieser Vorbereitung beider Seiten abläuft.
Download: „Fragen zum Denken“ (journalist)